جزییات کتاب
Der Terrorismus ist tot es leben seine Obduzenten! Sie leben gut. Pünktlich zu jedem makabren Jubiläum beugen sie sich über den wohlkonservierten Leichman der Roten-Armee-Fraktion, konstatieren noch einmal den Tod, noch einmal seine Unvermeidlichkeit, noch einmal seine überragende Bedeutung für Staat und Gesellschaft. Noch jedesmal erklärten sie den Tod für unumkehrbar (das beruhigt das Publikum), das ausgehauchte Leben zum Skandal (das schminkt den Kadaver) und ihre Bulletins für unentbehrlich. Zumindest sind sie zahlreich. Zur zwanzigsten Wiederkehr des "Deutschen Herbstes" haben sich Bücher und Essays, Artikel und Filme auf den Markt ergossen, unüberschaubar und so lärmend, daß sie Leichen wecken könnten. Der Erkenntnisgewinn dieser Publikationen ist allerdings zumeist beklagenswert gering. Er beschränkt sich auf die Formel: "Das war ihr Leben die RAF". Die letzte Klärung liefert auch Dorothea Hauser nicht. Doch ihr Buch "Baader und Herold Beschreibung eines Kampfes" ist immerhin sehr originell. Geschichtsforschung mittels Lebensläufen, Porträt einer Gesellschaft und ihrer Feinde durch das Doppelporträt zweier Symbolfiguren ist ein interessanter Versuch, dem Gemecker der Politologen reflektierende Erzählung entgegenzusetzen. Das ist vor allem dort gelungen, wo sich die Historikerin ganz auf die Biographien Andreas Baaders und Horst Herolds konzentriert. Je mehr der Leser über das Leben das RAF-Gründungsmitglieds erfährt, über den verwöhnten Halbwaisen, über den Dandy, den wütenden Egomanen und schließlich über den durchgeknallten, zynischen, gelangweilten Desperado, desto klarer wird die bemerkenswerte Belanglosigkeit Baaders. Die blutige Possenreiterei, die hinter seiner revolutionären Pose zum Vorschein kommt, hat Friedrich Dürrenmatt schon 1977 beschrieben: "Der Verdacht steigt auf, daß hier nicht der Grund das Mittel, sondern das Mittel den Grund, die Ideologie nicht den Krieg, sondern der Krieg die Ideologie suche." Das Leben Baaders ist ein offenes Buch. Ein Blättern darin erübrigt sich. Ganz anders die Person Horst Herolds. Er war einer der brillantesten Kriminalisten der Bundesrepublik, Sozialdemokrat mit anarchischer Triebregung, ein Gelehrter des Verbrechens, der die Theorie der Kybernetik in die Praxis der Rasterfahndung übersetzte und die Geburt des Terrorismus aus dem Geist der Studentenbewegung präzise vorausgesagt hat: "Die Bewegung verfügt nicht über den inneren Elan und wird bald auseinanderlaufen. Aber ihre radikalen Zerfallsprodukte werden zum politischen Terrorismus übergehen, der uns über Jahre hinaus beschäftigen wird." Der Chef des Bundeskriminalamtes von 1971 bis 1981 ist ein Mann mit vielen Gesichtern, kaum eines davon bekommt der Leser deutlich zu sehen. Das ist nicht die Schuld Dorothea Hausers, sondern liegt in der Absicht Herolds, der sich von seinen früheren Vorgesetzten und Bewunderern davongejagd in einem unverkäuflichen Bungalow auf einem bayerischen Kasernengelände eingemauert hat. Die Schicksale Baaders und Herolds rasen in dem Buch aufeinander zu wie zwei Züge auf einem Gleis. Zur Katastrophe kam es mit der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977. Die These Hausers, "daß der sogenannte Deutsche Herbst die Katharsis geworden ist, die 1945 ausgeblieben ist", er habe gar "das Zeug zum staatlichen Gründungsmythos", ist gar zu steil, um nur aufgestellt und kaum begründet zu werden. Möglicherweise meint die Autorin, die Bundesrepublik habe durch Auseinandersetzung mit dem Terrorismus trotz Verschärfungen des Strafrechts und des Strafprozeßrechts einen Demokratisierungsschub bekommen, und der Rechtsstaat habe erst dadurch sein Selbst-Bewußtsein erlangt. In diesem Falle ist ihr zuzustimmen.