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Die Gestalt des ‘dieners’ und ihre Funktion als Zentralgestalt im gesamten Werk des deutschen Mystikers und Eckhart-Schülers Heinrich Seuse (1295 – 1366) hat bis zur Vorlage dieser Dissertation keine Spezialuntersuchung gefunden. Um ihrer Studie den tragfähigen Boden zu sichern, behandelt die Verf. in ihrem Einleitungskapitel zunächst das Problem der Echtheit der Vita Seuses. Im ersten Abschnitt des Hauptteils werden die Gründe für die Einführung der ‚diener‘-Gestalt, ihre literarische Funktion und das kulturhistorische Motiv, gewürdigt. Die mit seinen Hauptwerken verbundene Lehrabsicht hat Seuse dazu bestimmt, hierfür die Form des Dialogs zu wählen, die er den Collationes des Cassian entnahm. Die Verf. zeigt dass die Dialogwerke in ihrer chronologischen Abfolge eine deutliche Steigerung in der Ausgestaltung des Dialogs vom lehrhaften Gespräch, das im ‚Büchlein der Wahrheit‘ vorherrscht, zum echten lebendigen Dialog im ‚Büchlein der ewigen Weisheit‘ erkennen lassen. Die Gestalt der ‘Weisheit’ als Gesprächspartnerin des ‚dieners‘ geht nach Meinung der Verf. auf Mechthild von Magdeburg und Gertrud die Große zurück. Ziel des Dialogs im ‚Büchlein der ewigen Weisheit‘ ist nicht mehr Wissensübermittlung, sondern das Heranreifen des ‘dieners’ zur vollen Persönlichkeit in der Minnebindung an den Gesprächspartner, die ‘Weisheit’, d.h. an Christus in der Mystik der Leidensnachfolge. Die Gestalt des ‘dieners’ in ihrer Minnebindung an der ‘Weisheit’ hat Seuse deutlich in Anlehnung an den ritterlichen Minnediener der höfisch-staufischen Kultur gestaltet. Die Verf. weist nach, dass die geistliche Ritterschaft im Werke Seuses, die vorzüglich in der Vita ausgestaltet ist, aber auch in den übrigen Werken eine Rolle spielt, zwar der staufisch-weltlichen Ritterschaft im höfischen Epos und im höfischen Minnesang in der Terminologie wie in der Ideologie nachgebildet wurde, dass sie indessen nach Sinn und Funktion durch Seuse eine eigene Prägung und Wandlung erfahren hat. Diese Wandlung wurde durch die Verbindung der Vorstellung des miles christianus der Bibel mit der des staufischen Ritters und durch die Einbeziehung beider Vorstellungskomplexe in die Seusesche Mystik bewirkt.- Diese Erwägungen führen in den zweiten Hauptteil der Arbeit, die Charakteristik des ‚dieners‘ als sündiger Mensch auf dem dreistufigen Weg zu Gott, als minnende Seele und schließlich als Ritter. Bei der geistlichen Ritterschaft im Sinne Seuses geht es nicht, wie im geistlichen und mystischen Schrifttum des 12. und 13. Jahrhunderts, um eine metaphorische und literarisch formelle Verwendung ritterschaftlicher Elemente, sondern um eine vollgültige innere und äußere Lebenshaltung. Dadurch dass Seuse nicht eine höfi- sche hochstehende Dame des Ritteradels, sondern die Ewige Weisheit als Minnedame wählt, wandelt sich die weltlich-erotische Minnebindung zu einer geistigen religiösen Liebesbeziehung zum Logos-Christus. Das hat eine Umwandlung und Umwertung aller Werte der weltlichen Ritterschaft und ihrer weltlichen Bezogenheit zur Folge. Der Seusesche Minnedienst ist Gottesdienst, und die höfischen Tugenden sind Mittel der Bewährung im Gottesdienst, der durch die Bewährung in den Prüfungen des Leidens und Streitens unter dem Bild wiederum des ritterlichen Kampfes zur Gelassenheit und schließlich zur unio mystica am himmlischen Hof, dem lohnhaften Ziel der geistlichen Ritterschaft, führt. Die Arbeit fußt auf einer genauen Kenntnis der einschlägigen Quellen und Literatur, die von der Verf. mit kritischem Sinn und selbständigem Urteil verwertet worden sind.