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Der vernunftwidrige Glaube, die allmächtige Kirche, der moralisch verdorbene Priester: Der Antiklerikalismus im 19. Jahrhundert verfolgte mit solchen Vorwürfen und den von ihm angestoßenen Debatten nichts weniger als eine grundlegende Neuordnung des Verhältnisses von Staat, Gesellschaft, Kirchen und Religion. Das gesamte Spektrum potentieller Kirchenkritiker im Blick analysiert diese Studie antiklerikale Bestrebungen erstmals vergleichend in Frankreich, Spanien und Deutschland, arbeitet nationale Spielarten heraus und stellt die Frage nach deren europäischer Dimension. Lisa Dittrich untersucht die grenzüberschreitenden Beziehungen der Antiklerikalen in Presse, Publizistik und persönlichen Netzwerken: Kirchenkritiker schufen eine europäische Öffentlichkeit und bildeten eine gemeinsame Identität aus. Diese Vernetzungen stießen aber auch an nationale Grenzen. Die Analyse der Verflechtungen veranschaulicht das komplexe Verhältnis von Europäisierung und Nationalisierung im Zeitalter des Imperialismus. Säkularisierung erweist sich als zentrale Forderung und Produkt der antiklerikalen »Politik der Skandalisierung« von Kirchen und Religion. In der Rückführung auf ihren historischen Ursprung wird die Mannigfaltigkeit säkularer Vorstellung offensichtlich. Säkularisierung erscheint als Suche nach neuen Modellen des Verhältnisses von Religion und Kirchen zu Politik, Wissenschaft und Moral, ohne dabei in einem einfachen Gegensatz aufzugehen. Dittrich zeigt vielmehr, dass die antiklerikalen Bestrebungen im Kontext der zunehmenden Pluralisierung des religiösen Feldes verortet werden müssen und legt damit eine neue Lesart der europäischen Kulturkämpfe im 19. Jahrhundert vor.